Die Fast-Egal-Wahl

Nur eine Stimme zählt

Eigentlich dürfte kein vernünftiger Mensch, der das Treiben Ursula von der Leyens als Verteidigungsministerin und als Kommissionspräsidentin auch nur oberflächlich verfolgt hat, ernsthaft erwägen, ihr bei der Europawahl seine Stimme für eine zweite Amtszeit zu geben. Starrköpfige Unionswähler haben einen Trost: Ihr Gewissen würde trotzdem keinen Schaden nehmen, denn ihre Stimme spielt in der Angelegenheit keine Rolle.

 

Nein, Chef Olaf ist das Zünglein an der Waage. Würde er von der Leyen nicht im Namen Schlands nominieren, könnte sich Ursel gehackt legen. Geldverbrenner Mario Draghi („Whatever it takes“) und sein Freund Franzmann Macron sind sowieso der Ansicht, der Mario sei ein guter Nachfolger, und Chef Olaf ist in der Bredouille. Hatte er doch gerade erst getönt, Ursel dürfe sich nicht von rechten Parteien unterstützen lassen, nachdem die Raffinierte sich bei Italiens „charmanter Postfaschistin“ (Die Zeit) Meloni einschleimte (Hach, haben Sie die Haare schön!).

Überhaupt ist die Frontenbildung bei der EU-Wahl ein einziger Schlamassel, wenn man nicht gerade ein schlichter Spezialdemokrat oder Grüner ist. Denn Melonis "Brüder Italiens" treten gemeinsam mit CDU/CSU als „Europäische Konservative und Reformer“ (EKR) auf, ihr Regierungspartner Lega (Matteo Salvini) wiederum steht gemeinsam mit Frankreichs Marine Le Pen für „Identität und Demokratie“ (ID).

Manch einen mag verwirrt haben, dass die ID die AfD rausgeschmissen hat, weil der Abgeordnete Krah mit einer italienischen Zeitung unbedingt ein Weltkrieg Zwo Thema erörtern musste. Aber das lässt sich leicht erklären, denn „rechte“ Parteien in Europa vertreten in erster Linie die Politik ihrer Nationen, und Marine Le Pen ist das italienische Kostümchen danach immer noch näher als eine deutsche Hose.

Apropos. Deutsche Interessen liegen am 9. Juni weder bei Schwarz, Rot, noch bei Gelb oder Grün in den Auslagen. Sie können stattdessen der Ukraine, dem Klima oder den Haushalten der angeblich ärmeren EU-Länder ihre Stimme geben. Wählen sollten Sie trotz allem, verehrte Leser, allein, um unserer politischen Verantwortungsgemeinschaft in Berlin einen Einlauf zu verpassen.

 

„Eine Gruppe Jugendlicher“ hat in Bremen mehrere Mitarbeiter eines Hallenbades attackiert. So weit, so normal. In Wallung geraten Politik und Bild eh nur, wenn „Gruppen Jugendlicher“ in Deutschland Israel attackieren. Wie in Neukölln, wo Schutzsuchende und Bedrängte aller Länder ihre Gaststadt mit dem Fluch „Berlin soll brennen“ belegten. Auf Englisch, um Glaubensbrüder auch andernorts zu entsprechenden Taten zu motivieren, und damit die Presse der Welt vom Segen deutscher Willkommenskultur berichten kann.

 

Bei der Presse sind längst alle Maßstäbe verrückt. Wir lesen in der Welt: Ein Mitarbeiter des Wachschutzes eines Flüchtlingsheims im thüringischen Suhl spielt einem Kollegen auf dem Handy das „Döpdödödöp“-Lied vor, ein dritter „Kollege“ ruft die Polizei, Vorspieler und Mithörer werden suspendiert, und die Grünen sind empört. Soweit, so bekloppt. Nun aber wird es wild: Die Welt schreibt, ohne rot zu werden: „Derweil wurde ein ähnlicher Vorfall aus Sachsen bekannt: Zwei Gruppen gerieten am Sonntag nach einer Feier in Annaberg-Buchholz zunächst verbal aneinander… zwei Mädchen und drei Jungen im Alter von 14 bis 20 Jahren wurden verletzt. Gehandelt haben soll eine Gruppe von sechs bis acht nichtdeutschen, männlichen Personen.“ Wie verroht ist die Sprache inzwischen? Sechs Ausländer schlagen zwei Mädchen und drei Jungen zusammen – und das soll dem Abspielen eines Liedes auf dem Handy „ähnlich“ sein?

Immer diese AfD-Anfragen in den Parlamenten! Nun muss die Regierung im Schweriner Schloss zähneknirschend einräumen, dass „der Polizeieinsatz am Wossidlo-Gymnasium in Ribnitz-Damgarten wegen eines Schlumpfvideos Ende Februar unangemessen“ war.

Es gehört wohl zu den Traditionen unserer Parteien, sich kurz vor Wahlen selbst das Leben schwer zu machen. In diesem Sinne ist auch die AfD keine Ausnahme. So beklagte deren Bundestagsabgeordneter Rüdiger Lucassen, er könne „die beleidigenden Äußerungen etwa gegen Ricarda Lang oder Frau Baerbock nicht mehr sehen. Da werden niedere Instinkte bedient. Das passt nicht zu uns.“ Obwohl er oft genug Ohrenzeuge Baerbockscher Verwirrungen gewesen sein müste. Wahrscheinlich denkt der Mann, die Grünen wollen nur spielen und Tofu für eine bessere Welt verteilen.

3 comments

  1. Franck Royale 30 Mai, 2024 at 23:18 Antworten

    Von der AfD sollte man keine Wunder mehr erwarten. Ich würde bei einer “Europawahl” gerne eine beliebige Partei in Europa wählen können – geht aber nicht. So wie man auch 67 Jahre nach Gründung der EWG immer noch nicht ohne Umsteigen mit dem Zug von Berlin nach Brüssel fahren kann. Was die “deutsche Hose” angeht: in der Wirtschaft würde man sagen, es laufen die Verhandlungen über die Zweit- und Drittverwertungsrechte – oder auch: Rausschlagen was noch geht.

    • P.Paule 31 Mai, 2024 at 00:51 Antworten

      Ich habe von der AfD noch nie irgendwelche Wunder erwartet. Sie ist für mich die Alternative zum Nichtwählen. Ob sie 10 oder 15 Prozent bekommt, ist mir egal. Eigentlich wollte ich heuer erstmals gar nicht wählen. Aber die politische Verantwortungsgemeinschaft und ihre willfährigen Medien haben sich in den letzten Wochen und Monaten so viel Mühe gegeben, der AfD mit allen nur erdenklichen faulen Tricks zu schaden, dass ich gar nicht anders konnte. Erwarten tue ich mir von der AfD nichts, von den anderen Parteien aber noch weniger als nichts.

  2. HKCB3044 31 Mai, 2024 at 09:25 Antworten

    Ich glaube, die Abgrenzung von Meloni und Le Pen von der AfD hat etwas damit zu tun, daß die AfD eine völlige Neustrukturierung der EU anstrebt, was ja auch bedeuten würde, daß Deutschland den Posten als Zahlmeister aufgibt. Das kann nicht im Interesse Frankreich und Italiens sein. Frau Meloni regiert in Italien und Madame Le Pennestrebt den Präsidentenposten an, da können sie schlecht befürworten, daß eine Geldquelle, von der beiden Länder erheblich profitieren abgeschaltet wird. Das ist zumindest ein Grund für diesen Entschluß. Krah hat ihnen den Vorwand geliefert, die Frage ist , aus Naivität oder mit Vorsatz. Darüber sollte man bei den Parteiführung mal nachdenken.

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