Wie hätte der berühmte Spiegelfälscher, der Große Relotius, wohl über die Trauer für den ermordeten 8-jährigen Jungen von Frankfurt, und über die Wut über die Zustände im Land geschrieben? Wahrscheinlich so:
„Da ist zum Zweiten das Entsetzen über die Agenten der Angst, die wie marodierende Banden durch unsere Straßen ziehen. Sie versuchen die Trauer zu enteignen und in einen kollektiven politischen Angstreflex zu überführen. Unsere Gefühle werden kuratiert. Der Sturmtrupp der vorsätzlich Empörten will an der Wahlurne reiche Beute machen. Auf den Lippen trägt man die Worte „Recht und Ordnung“. In den weit aufgerissenen Pupillen ist unschwer der braune Kern zu erkennen.“
Das könnte ein Original-Relotius sein. Besonders die scharfe Beobachtung „In weit aufgerissenen Pupillen ist unschwer der braune Kern zu erkennen“ klingt nach frühem Claas R. Und ein bisschen weht der Enzensberger mit. Vielleicht sogar ein später Grass. Auf jeden Fall Grimme-Preis.
Und hier kommt schon die gute Nachricht für alle Journalistenpreisjurys: Der Autor, der „die marodierenden Banden“ vor dem Leserauge so lebensecht aufmarschieren lässt, steht für jede Auszeichnung zur Verfügung. Erstens ist er einer von euch, und zweitens hätte er Zeit, der Gabor Steingart. Sein ganzes Tage-Werk hier.
Vielleicht hat Garbor nur den Bild-Bericht „Hässliche Szenen bei der Andacht am Hauptbahnhof“ ein wenig aufgehübscht? Der Bild-Autor, der nicht genannt werden will, hatte als Beleg für seine These eine Frau angeführt, die bei der Beschwichtigungsrede des Frankfurter SPD-Bürgermeisters „ein Plakat mit der Aufschrift ‘Diese Politik tötet das Volk‘“ hochgehalten hatte. Zudem will er gehört haben: „Am Rande brüllt ein Mann linke Demonstranten an. ‘Hätte er bloß euch vor den Zug gestoßen.‘“ Wobei der Namenlose Bild-Autor mit den hässlichen Szenen durchaus Recht hatte. Auf diesem Video sieht man die hasserfüllten linken Demonstranten recht deutlich. Oder, um mit den Dichterworten von Gabor, dem Feinsinnigen, zu schreiben: In den weit aufgerissenen Pupillen ist unschwer der blutrote Kern zu erkennen.
Wir mischen uns ja in innerkirchliche Angelegenheiten immer nur äußerst ungern ein, aber Hans-Martin Weiss, dem scheidenden Regionalbischof des bayerischen Kirchenkreises Regensburg, müssen wir in aller Form widersprechen! Der hatte sich gegenüber der evangelischen Nachrichtenagentur idea äußerst kritisch über unseren Lieblingsbischof Heinrich Bedford-Strohm geäußert:
„Wir wünschen uns, dass er (bei der „Seenotrettung“, Red.) zurückhaltender agiert und seine moralische Autorität nicht so vor sich herträgt, wie das mittlerweile in der Öffentlichkeit berechtigterweise kritisch wahrgenommen wird. Er sollte sich mehr mit der Frage beschäftigen: Was tue ich wann? Wann rede ich, wann schweige ich? Er weiß, dass sein Vorgehen sehr differenziert und unterschiedlich wahrgenommen wird.“
Entschuldigung? Auf Seeretter Heinz lassen wir nichts kommen. Keiner findet so einfühlsame Worte zum Elend in dieser besonderen Zeit wie der einfühlsame Heinrich! Seine Trauerrede zur Beerdigung einer ermordeten Studentin ist mittlerweile Vorlage in jeder Pfarrei, die ähnliche Opfer zu beklagen hat. Unvergesslich die Worte „Vielleicht wäre sie noch am Leben, wenn sie aus dem Mißtrauen heraus gelebt hätte“, gab der EKD-Chef zu bedenken, um dann jedoch zu fragen: „Aber wäre das das bessere Leben gewesen?“ (Hinweis für Laienprediger: Bei Bedarf „sie“ durch „er“ ersetzen, dann passt der Bedford immer...)
Wäre er nicht Pfarrer geworden, schriebe Heinz heute wohl für den Spiegel.
Wie einstmals Claas und Garbor.