Il Miracolo vs. Renntiger

SPAET am SONNTAG

Am Sonntag erlauben wir uns einen kleinen Ausflug ins Feuilletonistische. Mit einem zugegebenermaßen ziemlich unstatthaften Vergleich, der aber deutlich zeigt, wie Journos lieber das Nichts hochschreiben, als das Andere anzuerkennen.

Beginnen wir mit einem Fundstück aus dem Zeit-Dossier vom April, in dem Hofreiter, der grüne Anton, als „Der Renntiger“ angepriesen wurde. „Hofreiter ist zur Stelle, wenn er gebraucht wird, spielt sich aber nicht auf“, stand da zu lesen, ohne auch nur anzudeuten, womit Hofreiter sich aufspielen könnte. Aber dann wird’s spaßig: Er (Anton) verfügt nicht über die Talkshow-Nonchalance der Co-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt („Talkshow-Nonchalance“ nennt man diese Melange aus hasserfüllter Hetze und Kirchentagsgeschwafel bei der Zeit!), nicht über die managerhafte Leichtigkeit des früheren Parteichefs Cem Özdemir (Ja können die denn die Leichtigkeit eines Sozialarbeiters nicht von der eines Managers unterscheiden?), nicht über die schillernde Theatralik der Abgeordneten Claudia Roth, (Ok, das Bild ist halbwegs stimmig, wenn es sich auch um niederbayerische Bauerntheatralik handelt) – und jetzt kommt‘s: nicht über das gepflegt verwitterte Gitarrensolo-Gesicht des grünen Parteichefs Robert Habeck. Der Habeck Robert hat vielleicht wirklich das passende Gesicht zur Rügenwalder Wurstreklame, wenn der kernige Johannes Babtiste da mal aufhören will, aber Gitarre? Und dann noch Solo?

Also, wenn Habeck ein gepflegt verwitterter Gitarrenspieler sein soll, dann ist Matteo Salvini der späte Elvis – und wir sind mittendrin in unserem etwas unfairen Vergleich. Wobei wir unsere These wenigstens anständig belegen können. Schauen Sie sich dieses Video an, sehen Sie, wie der italienische Volkstribun sich die erste Reihe seiner Fans entlangarbeitet, Umarmungen, Küsse, Schulterklopfen, verzückte Zurufe und Begeisterungstränen entgegennimmt wie Elvis in „Aloha von Hawaii“.

Es ist so vielsagend, wie die Zeit-Dichter im besten Fall absolut mediokre Typen, eigentlich aber Freaks, zu Lichtgestalten hochschreiben. Auf welchen Thron würden sie Salvini setzen, wenn der zu den Klimapredigern und Grenzöffnern gehörte. Er stünde dann wohl in der Autorengunst irgendwo zwischen Obama und Macron – beides Politiker mit einer katastrophalen Erfolgsbilanz.

Salvini ist il hammero! (Entschuldigen Sie unser Italienisch) – also der Hammer! Seine Auftritte gleichen in der Tat denen eines Rockstars, allerdings erst am Ende der Show. Seine Reden (wir verstehen kein Wort!) sind, gemessen an Melodie, Intonation und Pathos, eher durchschnittlich, sein Charisma entfaltet sich erst beim Bad in der Menge, erst dann bekommt man eine Ahnung vom Volkstribun. Der Mann hat das Aufpeitschen der Menge gar nicht nötig, offensichtlich ließ er vorher Taten seiner Regierungspolitik für sich sprechen.

In Mailand bot sich übrigens ein schöner Vergleich an. Da griff Marine Le Pen mit beiden Händen in die Pathos-Kiste und stimmte schließlich sogar „Allons enfants de nos patries“ auf dem Mailänder Domplatz an. Jörg Meuthen zeigte auf der großen Bühne, dass er eher der Mann fürs bilaterale Gespräch ist. Ja, die „Populisten“ sind eben ganz anders als unsere Journos das immer so erzählen. Beim halbstündigen Defilée in der Menge bediente Salvini übrigens ganz nebenbei Dutzende Journalisten aus vielen Ländern, die ihm ihre Mikrofone entgegenhielten. Die fragten in ihren Landessprachen, Salvini antwortete auf Italienisch.

Wir sahen auch ein Mikrofon mit der Aufschrift ZDF und würden dennoch wetten, dass es die Redaktion in Mainz mit allen Kräften vermied, ein objektives Bild der Veranstaltung in Mailand zu zeigen. (Wissen tun wir das nicht, wir gucken den Schmonzes ja nicht mehr.) Denn das dürften auch die Mainzelmännchen ahnen: Hätte die AfD einen Salvini, hockten wohl Union und SPD zusammen im dunklen Keller der vergessenen Gestrigen – aber, vielleicht ihr einziger Trost: Salvini kann man nicht lernen. Ebenso wenig wie Trump.

Weil aber auch die Altparteien keinen Trump oder Salvini haben, wird halt hochgeschrieben, was da ist, und sei es nur mit den Worten „Anton Hofreiter ist einfach nur Anton Hofreiter.“ Im Laufe des Textes informierte der Autor seine Leser darüber, dass Anton Hofreiter sich wie viele Frauen „auf sein Äußeres reduziert“ fühle. Die Armen (inkl. Hofreiter)!

Mit der gleichen Blindheit begegneten diese Berichterstatter auch Donald Trump, und sie haben bis heute nicht begriffen, was (und warum das) da über sie kam.

 

2 comments

  1. Konrad Kustos 2 Juni, 2019 at 10:20 Antworten

    Blindheit UND Kalkül. Ignoranz UND Absicht. Der neue Schlag des Journalismus kultiviert seine Dummheit, um zweier Effekte willen: Karriere und Manipulation (was in der neuen Weltordnung des Niedergangs nicht ohne einander geht).

  2. Leo Pesch 2 Juni, 2019 at 11:09 Antworten

    Wie immer wunderbar, lieber Stephan! Aber es steht geschrieben: Du sollst die Niederbayern nicht mit den Allgäuern verwechseln und vor allem die fleißigen Bauern nicht verunglimpfen… 😎 Viele Grüße von Fan Leo P.

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