Der Telefonverkäufer & der Steiger, Teil 2

Bei Markus Lanz

Wer deutsche Polit-Shows verfolgt, kommt unweigerlich zur Erkenntnis, Politik eignet sich nur für zwei Sorten Mensch. Plaudertaschen und engstirnige Demagogen. Kühnert hat von beiden etwas.

Bei den Mietentwicklungen schwadroniert er vom „Menschenrecht auf bezahlbaren Wohnraum“, auch für die, die da täglich zu uns kommen. Und, von Lanz in die Enge getrieben, weil die Genossen in Berlin einst 65.000 billige Wohnungen verkauften, fällt ihm nur ein, nun die Käufer zu beschimpfen, weil die Millionen Profit damit machen. Aldi macht auch Millionen Profit – will er Aldi auch verstaatlichen? Wenigstens weiß Kevin, dass Heikos Mietpreisbremse für die Katz ist und so redet er halt drumherum und will Enteignungen als Druckmittel für die Bösen einsetzen. Sein wahres Allheilmittel aber, von der Partei, die immer Recht hat, seit Jahrzehnten gefordert: Schulden machen, Schulden machen, Schulden machen. Weil auch Kevin, der Telefonverkäufer, nie gelernt hat, dass die am Ende jemand bezahlen muss.

Natürlich klingt das komisch, wenn Bergmann Reil dann von der EZB und Miet-Nebenkosten spricht, das funktioniert nur mit Kühnertschem Wortschwall. Dabei ist Reil konkreter als sein Kontrahent, wenn er aus seiner Heimatstadt Essen berichtet, wo die Reichen im Süden keine Bauplätze für Asylanten- und Proletenwohnungen freigeben wollen. Oder wenn er darauf hinweist, dass Essen wegen Bevölkerungsschwund rückentwickelt wurde, erst seit der Flüchtlingskrise gebe es keine leeren Wohnungen mehr und „wir brauchen 3.000 Kindergartenplätze“. So was kommt von so was her.

Man muss Markus Lanz lassen, dass er deutlich geschickter vorgeht als die Diplom-Journalistin Will oder die Rote Maybrit, die ihre moralische Überlegenheit wie eine Monstranz vor sich hertragen. Lanz hingegen gibt den netten Inquisitor, der in mildes Lächeln alle Sauereien der Sünder verpackt, um dann plötzlich doch unter Jubelrufen des Publikumpöbels am Ende die Todesstrafe zu fordern.

Nein, sagt Lanz, er habe nie von der AfD als Nazipartei gesprochen, aber dass das Antifa-Gesindel AfDler zusammenschlägt, Autos und Häuser anzündet, müde belächelt von einer breiten Preseschar, das lässt er geschickt unter den Tisch fallen.

Nein, der verständnisvolle Lanz will ein Geständnis ohne Folter, für die sind andere zuständig. Und Reil sagt, was er denkt, ohne Fragezeichen. Statt Millionen aus Afrika ins Land zu lassen, sollte die EU erst einmal die gigantische Arbeitslosigkeit in Europas Süden bekämpfen, diese Arbeitslosen sollten gerne nach Deutschland kommen, wenn es hier Arbeit gibt. Die seien ja schon da, behauptet Lanz nett und falsch. Ja, sagt Reil, „aber mit den Rumänen und Bulgaren, das ist ein Problem für mich“. Diese Freizügigkeit sei eine Katastrophe für Städte wie Dortmund und Duisburg, wobei er höflich unerwähnt lässt, welche Rumänen und Bulgaren hier die Probleme machen. Er schildert nur, dass die Freizügigkeit zu Lohndumping und Steigerung der Kriminalität führe, und der Mindestlohn im Übrigen auch nicht funktioniere. Der naive Kevin glaubt, 3.000 neue Zollmitarbeiter zur Kontrolle der Sub- und Subsubunternehmen würden reichen, alle Probleme zu lösen. Für ihn sind Millionen importierte Sozialhilfeempfänger „billige Bauernopfer“ für Populisten.

Dann kommt Lanz mit der Zeitungsweisheit, die eher eine Ente ist: Wir brauchen 300.000 Zuwanderer pro Jahr, weil Facharbeiter fehlen. „Das sagen Soziologen und Leute, die sich ernsthaft damit auseinandersetzen“, sagt Lanz. Warum holt man dann keine Facharbeiter, sondern Analphabeten? Da sagen seine ernsthaften Leute nichts. Reil sagt nur „Japan habe auch ein demografisches Problem und mache nicht die Tore auf“. Ha! Hier kann Lanz mit seiner Lebenserfahrung trumpfen: „Meine Frau ist ja Halb-Japanerin“, die öffnen sich doch. Aber, Markus, eben nicht für Analphabeten. Auch Reils Argument, was denn mit Industrie 2.0 wäre, die weniger Beschäftigte benötigt, geht unter, weil er es halt nicht so geschickt verpacken kann wie die spezialdemokratischen Labertaschen.

Reil steht auf Platz 2 der Europawahlliste der AfD. Ach, die EU. Was sagt die SPD dazu? EuropaistdieAntwort. Worauf? Weiß die SPD auch nicht. Für Reil ist die EU ein Moloch und Brüssel ein Sinnbild dafür. „Selbst um 24.00 Uhr. Alles Stau, totales Chaos“, sagt er.

Die Abgeordneten stecken sich die Tasche voll und arbeiten von Montag 18.00 Uhr bis Donnerstag Mittag. Für Reil die „teuerste Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der Welt“, er will für Transparenz sorgen und soll, was ihm gegönnt sei, ruhig auch ein wenig mehr verdienen als zuvor in seinem Leben, dafür hält er im Gegensatz zu den meisten EU-Abgeordneten seinen Kopf hin. Es ist ein bisschen von der Gerechtigkeit, von der Schulz immer faselt.

Kevin legt Wert auf die Feststellung, seine Genossen arbeiteten deutlich mehr in Brüssel, was uns leider zwanghaft wieder an Schulz erinnert, der soll ja laut Spesenabrechnung sogar Heilig Abend gearbeitet haben. Und dass die AfD ins EU-Parlament wolle, um es abzuschaffen, sei eine Arbeitsverweigerung mit Ansage. Das ist natürlich grob verallgemeinert, wie er noch feststellen wird, aber die Gläubigen im Publikum jubeln trotzdem. Und Lanz, der weiß, was er seinen Herren schuldig ist, findet wichtig, dass durch die EU Google und Co. zum ersten Mal Steuern gezahlt hätten. Dass die Big Brothers bestehende EU-Gesetze geschickt auslegten, lässt er besser weg.

Am Ende noch einmal der Beweis, dass bestimmte Witze vor sorgfältig gecastetem Publikum nicht funktionieren. Lanz: „Wie finden Sie Herrn Juncker?“. Reil: „Wenn der nüchtern ist?“ Das gibt Lanz die Gelegenheit, mit großem Pathos das Ende einzuleiten. „Warum machen Sie das, Herr Reil?“, fragt er betroffen, „Es war Juncker, der Donald Trump ganz alleine überzeugt hat, die Zölle nicht zu erhöhen.“ Das war nun wirklich zu komisch. Wir haben gelacht.

 

Teil 1 finden Sie hier.

2 comments

  1. Bartman 12 April, 2019 at 09:56 Antworten

    Herr Paetow, ich habe diese Lanz-Sendung mal nach gesehen, weil Herr Reil dabei war und ich wollte sehen, wie er sich schlägt.
    Fazit: Es war unterirdisch, warum schickt man einen Reil ins Fernsehen, der zwar Recht hat, sich aber nicht vorbereitet hat(…hab mit Klima nix am Hut) und sich von Kühnert und Lanz rhetorisch abkochen läßt, das es einen graust. Der Reil kann vielleicht im Ruhrpott rumpoltern, aber sonst keinen geraden Satz reden. Warum schickt man da nicht einen Meuthen oder Curio oder Brandtner ins Rennen, die sich hier nicht so abzocken lassen?
    Es war zum Fremdschämen, hier haben Kühnert und Lanz auch beim Publikum echt Boden gutmachen können. Und das ist tragisch, da ich die Auffassungen der AfD teile und sehen muß, wie sich die AfD ohne Not den Schneid abkaufen lässt.

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