Kleine Weihnachtsgeschichte
aus Schloss Bellevue...

Von unserem Reporter Claas

Vor den Festtagen hat der Präsident noch schnell Schnittchen geschmiert für Berliner Bedürftige. Nicht für alle natürlich, allein in Berlin werden 10.000 Obdachlose vermutet, so viel Zeit hat der Frank-Walter auch nicht. Aber für ein paar Brote hat er sich die Zeit genommen. Mit Wurst, klar, auch vom Schwein, die Flüchtlinge sind ja alle gut untergebracht und nicht mehr bedürftig. Dann ging’s ja auch schon los mit Weihnachten. Das Personal hatte den Baum gerichtet, später kam auch schon die Verwandtschaft. Bevor die Familie vorfuhr, richtete der Präsident noch schnell im TV ein paar gewichtige Worte an seine Untertanen: „Bei vielen von uns kommt zum Weihnachtsessen die Familie – vielleicht auch wieder die ganz bestimmten Verwandten, bei denen man schon vorher weiß, dass wir uns über Politik in die Haare kriegen“.

El Presidente weiß, wovon er redet. Auch bei den Steinmeiers hatte sich die Verwandtschaft zum Schlossbesuch angekündigt. Unserem Reporter Claas R. ist es gelungen, sich in die Rolle eines Bediensteten auf Schloss Bellevue hinein zu versetzen. Hier ist sein Bericht (den wir vorher von allem Kitsch befreit haben): Aus Detmold war Schwippschwager Jürgen angereist, mit seiner Hedwig im Schlepptau, die soll ja AfD gewählt haben, was man so hört. Hedwig sagte dann bei Tisch, die meisten ihrer Bekannten hätten den Rechten ihre Stimme gegeben. „Ja“, säufzt, quatsch, er seufzt, der Frank-Walter, „ja, es wird nicht nur gesungen an Weihnachten, sondern manchmal auch gestritten.“ Aber fuhr er fort, mühsam den Schaum vorm Mund bremsend:

Wir müssen wieder lernen zu streiten, ohne Schaum vorm Mund.“ Und wir müssen „lernen, unsere Unterschiede auszuhalten“ flüsterte er seiner Elke streng zu, als die sagte: Den Jürgen und die Elke halte ich nicht mehr aus!

Streng genommen, hatte sie nicht unrecht, die Elke. Muss der unverschämte Kerl sich mit einer gelben Warnweste an die Weihnachtstafel setzen? Typisch! Aber Frank-Walter wollte sich keine Blöße geben an diesem Abend. Mit all der mitfühlenden Betroffenheit, die nur ein wahrer Sozialdemokrat aufzuführen vermag (und die er gerade erst bei der Zechenschließung in Bottrop so schön rüberbrachte), sah Frank-Walter dem Jürgen fest in die Augen: „Auch bei uns im Land gibt es Ungewissheit, gibt es Ängste, gibt es Wut.“ Da hatte er dem Provokateur etwas den Wind aus den Segeln genommen. Ob sie noch etwas von der Feine Sahne Fischfilet haben könnte, fragte die sonst eher zurückhaltende Erna aus Bielefeld. und Frank-Walter argwöhnte kurz, dass das eine Provokation gewesen sein könnte.

Ausgerechnet Tante Grete aus dem Sauerland mit ihren 70 Jahren regte sich dann darüber auf, was die Chebli und der Stegner alles auf Facebook und Twitter posten. Soll doch froh sein, dass die im Sauerland überhaupt Internet haben! Aber das darf er ja so nicht sagen. Besser irgendwas Allgemeingültiges. Wie „vor allem in den sozialen Medien wird gegiftet, da ist Lärm und tägliche Empörung.“ Trotzdem muss er mal mit den beiden Genossen sprechen, und mit dem Genossen Karl (Lauterbach) auch, der sich damit lächerlich macht, der Vulkanausbruch in Indonesien habe mit dem Klimawandel zu tun.

Die Ostwestfalen-Fraktion am Tisch verkündete dann lautstark, sie hätten alle ihr Spiegel-Abo gekündigt, wegen dieser unangenehmen Sache mit dem netten Mann, den Frank-Walter immer so gerne gelesen hatte. Elke fand den auch großartig. Und dann? Was lest ihr dann, rief der Präsident aus. Ich mache mir große Sorgen, wenn sich immer mehr Menschen zurückziehen. „Zurück in die eigene Blase, wo immer alle einer Meinung sind – auch einer Meinung darüber, wer nicht dazugehört“. Eisiges Schweigen am Tisch. Gefährder gehören ja wohl nicht dazu, murmelte Tante Grete.

Aber da ließ Frank-Walter nicht mit sich spaßen. Wie schon Otto Wels sagte. Oder wenigstens so ähnlich: Wir alle gehören zu diesem Land – unabhängig von Herkunft oder Hautfarbe, von Lebensanschauung oder Lieblingsmannschaft.“ Oh Gott! Das mit der Lieblingsmannschaft hätte er jetzt vielleicht doch nicht sagen sollen. Gut, dass Elke da anfing ein Weihnachtslied anzustimmen.

(Alle kursiven Zitate entstammen der Weihnachtsansprache von Frank-Walter, dem Präsidenten von Dingensstan, wo alle, wirklich alle dazugehören.)

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